Sonntags, halb zehn in Kleinneusiedl

Eine Probenreportage von Noah Schleinzer

Es ist neun Uhr Früh an einem Sonntag im November. Noch ist das Musikerheim in der Bankgasse still und leer. Das ändert sich aber schnell, schon um zehn nach neun hört man die ersten durch die Türe kommen. Erste Musiker spielen sich ein. Die meisten holen sich was zu trinken und plaudern. Manchen sieht man die Frage an: Ist es noch zu früh für das erste Bier?

Mit Humor und Leidenschaft

Nach und nach finden sich die Musiker:innen auf ihren Plätzen ein. Notenblätter werden zurechtgelegt oder gesucht, Ventile gelüftet, der eine oder andere Ton gespielt. Nicht jeder sitzt. Vielleicht liegt es auch an der Anspannung, immerhin sind es nur noch knapp zwei Monate bis zu den Neujahrskonzerten. Doch die Kapelle nimmt jeden schiefen Ton mit Humor – schließlich wird ja noch geprobt. Die Uhr schlägt neun Uhr dreißig. Endlich hat es auch der letzte Schlagzeuger auf seinen Platz geschafft. Dirigierlehrling Yvonne Heuber startet mit der Probe. Das Orchester spielt sich mit Tonleiterübungen ein. Alle sind konzentriert, das erste Konzertstück wird angespielt. Nach ein paar Takten wird abgerissen. Tempo und Rhythmik werden besprochen. „Gibt’s Unklarheiten? Günther?“, wird vor dem neuen Versuch vom Dirigierlehrling gefragt. „Ois supa!“, antwortet er mit einem tiefen Brummen, gefolgt von kollektivem Lachen. Dann sind alle in ihrem Element, man spürt die Energie im Saal. Nach 45 Minuten ist die erste Hälfte der Probe auch schon vorbei.

Freude an der Gemeinschaft

In der Pause holen sich die Musiker:innen ein Getränk. Die einen bleiben beim Kaffee, vielleicht geht jetzt schon ein Bier? Es wird geplaudert und viel gelacht. Man spürt, das hier sind mehr als nur Musikerkollegen. Andi ist vor zwei Jahren durch seine Freundin Marlene zum Musikverein gekommen. Er hat vorher schon Posaune gespielt: „Ich spiel hier nicht nur für mich selbst, sondern gemeinsam mit anderen. Das ist nochmal was anderes und macht mir viel Freude.“ Kurz vor Pausenende hört man schon wieder die ersten Töne. Klarinettistin Veronika spielt seit 20 Jahren im Verein. Dazu gekommen ist sie durch ihre Tochter. Sie hat erst als Erwachsene begonnen, ein Instrument zu lernen. „Ich wollte immer den Donauwalzer vor Publikum spielen. Und als wir den dann vor ein paar Jahren beim Neujahrskonzert gespielt haben, war das ein ziemliches Highlight für mich!“, erzählt sie stolz.

Neujahrskonzert ist Motivation pur

Das Neujahrskonzert ist für viele hier eine besondere Motivation: Es fordert mehr als etwa ein Frühschoppen, die Stücke sind schwieriger. Beim Konzert will man brillieren und deshalb ist man am Sonntag bei der Probe auch so motiviert.

Konzentriert bis zum Schluss

Kapellmeister Norbert Kolowrat beginnt die zweite Probenhälfte. Und wieder beginnen alle zu spielen, darauf bedacht, das Tempo, die Noten und die Lautstärke optimal zu treffen. Selbst wenn zwischendurch im Eifer des Spielens ein Wasserglas umfällt, wird das ignoriert und bis zum nächsten Abreißen
weitergespielt. Das Aufwischen muss warten. Beweis dafür, wie konzentriert und hingebungsvoll die Musiker:innen bei der Sache sind, wie ernst die Musik genommen wird.

Jetzt ein verdientes Bier

Nach vielen Wiederholungen, Anpassungen, Besprechungen und Lob ist die zweite Probenhälfte schnell vorbei. Es ist kurz vor zwölf. Die meisten packen zusammen und verabschieden sich Richtung Mittagstisch. Ein paar aber bleiben noch, plaudern. Jetzt wird auch das erste Bier geöffnet. Schließlich war es eine lange, anstrengende Probe.

Ein Text aus dem Jubiläumsmagazin des Musikverein Kleinneusiedl „50 Jahre und kein bisschen leise…“. Mehr zum Magazin unter

50 Jahre und kein bisschen leise…


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